LUIGI NONO | PATRICIA KOPATCHINSKAJA/VOLKER BÖHM | »MILLEFLEURS« |
CHRISTIAN DIERSTEIN | SYLVIE COURVOISIER | CHRISTIAN KOBI/SYLVIE COURVOISIER |
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LUIGI NONO (1924-1990): »La lontananza nostalgica utopica futura« (1988/89)
für Violine solo, 8-Spur-Tonband, Klangregisseur und 8–10 Notenständer |
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Was hat ein Komponist an einem Festival für improvisierte Musik zu suchen? Das scheinbare Paradox ist leicht aufzulösen: Wer improvisiert, bedient sich stets aus einem Fundus von Gehörtem, Gefühltem, Gedachtem, Gespieltem – um daraus im entscheidenden Moment etwas Neues zu erschaffen. Keine Improvisation ohne Konzeption, keine Improvisation ohne kompositorische Impulse. Oder zugespitzt ausgedrückt: Keine Improvisation ohne Vorkomposition. Genau um eine solche Vorkomposition handelt es sich bei Luigi Nonos 1988 uraufgeführtem Werk »La lontananza nostalgica utopica futura«, das in Zusammenarbeit mit dem Geiger Gidon Kremer entstanden ist, wie der Untertitel ausweist: »Madrigale per più ›caminantes‹ con Gidon Kremer«. Der wohl bedeutendste italienische Komponist der Nachkriegszeit, bis zuletzt auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen, hat mit diesem Spätwerk etwas geschaffen, was die Kunst des Improvisierens bis heute massgeblich prägt. Da ist zunächst einmal das Zuspiel band mit acht Tonspuren, gesättigt mit teilweise elektronisch bearbeiteten Klang fragmenten, von einem Klangregisseur wohldosiert in Szene gesetzt. Da ist der akustische Klang der Geige, die nicht als Soloinstrument, sondern (in der Sprache Nonos) als »Mitwandernde« verstanden wird. Da ist das Konzept der Raumkomposition, des dreidimensionalen Klang-Arrangements, das die Hörenden förm lich um garnt. Und da ist schliesslich das Spiel am Rande des Wahrnehmbaren, an der Pforte der Stille, was die gelegentlichen Eruptionen umso intensiver wirken lässt. Nonos »nostalgisch- utopisch-zukünftige Ferne« setzt demnach die Trias der Improvisation mustergültig um: Agieren, Reagieren, Interagieren.
Foto: Gracia Lissi |